12.05.2020
Presseschau zum ehemaligen Tribünen-Erbauer
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Henning Most veröffentlichte heute eine ganz besondere Geschichte in der Thüringer Allgemeine Zeitung. Es geht um einen ehemaligen Brigadearbeiter des Kalikombinates Glückauf Sondershausen der mit Kollegen die Göldner-Tribüne erbaute:

Tribünenstahl als Andenken - der 80-jährige Nikolai Demidow hat einst die Zuschauerränge am Göldner geschweißt und verfolgt nun den Umbau.

Zwei Wochen lang hat Nikolai Demidow mit zwei Kollegen an der Stahlkonstruktion der Tribüne vom Stadion am Göldner in Sondershausen geschweißt. Mit seiner letzten Schweißelektrode signierte der Experte auf einem Stahlträger das Datum der Fertigstellung, den 19. November 1988. An die Stelle kann sich der heute 80-Jährige genau erinnern. Jetzt sah der Sondershäuser mit an, wie „sein Lebenswerk“ abgerissen wurde. Die alte Tribüne muss für den Umbau des Stadions weichen.

Jenes Stück Stahlkonstruktion mit dem Datum ließ Demidow sicherstellen. Dabei halfen ihm die Baggerfahrer der Abrissfirma Richter Triga. Jeden Tag geht der rüstige Rentner von seiner Wohnung im Borntal zur Baustelle, um zu sehen wie weit die riesigen Bagger mit ihren Greifkörben und mächtigen Schneidwerkzeugen vorangekommen sind. „Es war für mich schon eine Herzensangelegenheit, nach meiner Tribüne auf dem Göldner täglich zu schauen, dass war mir immer einen Spaziergang wert, auch wenn sicherlich ein bitterer Beigeschmack dabei ist“, sagt der einstige Schweißer heute. Dabei erinnert er sich auch an spannende Fußballspiele, etwa die unvergessenen Duelle von Eintracht Sondershausen gegen Wacker Nordhausen. Über 5000 Zuschauer verfolgten von der überdachten Tribüne aus die Partien auf dem Göldner-Rasen.

Auch an das beliebte Leichtathletik-Meeting mit internationaler Beteiligung denkt Demidow gern zurück. Bei dieser Veranstaltung waren die Zuschauerränge, die der im heutigen Russland geborene Sondershäuser mit aufgebaut hat, ebenfalls regelmäßig rappelvoll.

Inzwischen ist der Tribünenbau komplett abgerissen. Nikolai Demidow kehrt an den Ort seines Lebenswerkes aber sicher in regelmäßigen Abständen zurück, um zu schauen, wie man mit modernen Mitteln eine Zuschauertribüne errichtet. Außerdem hält sich der Ruheständler mit seinen ausgedehnten Spaziergängen und morgendlicher Gymnastik fit.

Auf Umwegen ist Nikolai Demidow nach Sondershausen gekommen. Als Fähnrich der sowjetischen Streitkräfte war er 1961 bei Berlin stationiert. Nach der Grenzschließung wurde seine Einheit nach Leipzig versetzt. Dort lernte der junge Mann seine spätere Frau Dorothea, eine Dolmetscherin kennen. 1967 kehrte Demidow in seine Heimat südlich von Moskau zurück, kurz darauf folgte ihm seine große Liebe in die Sowjetunion. Sieben Jahre lebten und arbeiten beide dort, geheiratet wurde kurz nach der Ankunft der Verlobten. Sohn Nikolai kam 1969 zur Welt.

Die Sehnsucht von Dorothea nach ihrer sächsischen Heimat war jedoch so groß, dass die Familie 1976 nach Leipzig zurückkehrte. Kurz darauf bekam das Paar Arbeitsstellen im Kaliwerk Glückauf in Sondershausen angeboten. Dorothea in der Buchhaltung, Nikolai als Schweißer. Nach der Wende bekam Demidow eine Anstellung bei ISO-Plus als Rohrschweißer. Dort arbeitete er bis zu seinem Ruhestand. Der einstige Chef der Spezialfirma wollte den bis heute rüstigen Rentner überreden, noch einige Jahre für ihn zu arbeiten, da er ein Schweißexperte war. Der Wahlsondershäuser aber zog es vor, den Ruhestand gemeinsam mit seiner Frau zu verbringen. Noch heute wohnen die beiden Senioren im Borntal und erfreuen sich ihrer Enkelkinder Laura und Sophie, die ebenso in Sondershausen leben.
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